1949 fand in Ungarn die letzte Volkszählung statt, bei der die "Religion: israelitisch" angegeben werden konnte. 134 Tausend Staatsbürger:innen der Volksrepublik bekannten sich damals zum Judentum. Allerdings können wir davon ausgehen, dass zahlreiche Juden und Jüdinnen, diese Frage mit "konfessionslos" beantworteten, nicht zuletzt als Schutzreflex auf den Holocaust, dem von den ungefähr 800 Tausend ungarischen Juden 500 Tausend zum Opfer fielen.
Aktuell existieren in Budapest an die 20 Synagogen und Gebetshäuser der unterschiedlichen Gemeinden, stellt Dalos fest. Er beschreibt, dass ungefähr 20 Tausend Juden ihre Identität vorwiegend oder teilweise als Glaubensausübung erleben. Viel schwieriger erscheint es, die mehrheitlich nicht synagogengebundene, 40 bis 90 Tausend Menschen jüdischer Abstammung zu charakterisieren, bei denen erst eine direkte Selbstidentifizierung exakte Auskunft über die Zugehörigkeit zum Judentum geben könnte. Zu ihnen zählten auch Intellektuelle mit jüdischem Hintergrund und teilweise auch Holocaust-Erfahrung, die wie Imre Kertész, György Konrád oder Ágnes Heller zu der geistigen Elite ihres Landes gehörten.
Der vielfache Buchautor "Das System Orbán. Die autoritäre Verwandlung Ungarns" und Ungarnexperte György Dalos gibt einen Überblick über die Entwicklung des Jüdischen Lebens in Ungarn.