Von Buffalo Bill zur Städtepartnerschaft

Was hat ein legendärer Westernheld mit internationalem Jugendaustausch zu tun? Mehr, als man denkt. Diese Geschichte beginnt mit einer Bürgerumfrage in Dortmund, führt über den Atlantik und endet in einer der beständigsten deutsch-amerikanischen Städtepartnerschaften. Tauchen Sie ein in eine Zeitreise voller Neugier, Freundschaft und Visionen.

Buffalo Bill in Dortmund - Eine Bürgerumfrage schreibt Geschichte

Es war der Sommer 1975, als eine scheinbar simple Frage auf dem Alten Markt in Dortmund gestellt wurde: “Kennen Sie Buffalo, und was wissen Sie über diese Stadt?” Die Antwort vieler Dortmunder Bürger: “Buffalo Bill.” Die legendäre Westerngestalt überstrahlte die reale amerikanische Stadt im Bundesstaat New York noch deutlich. Was damals vielleicht belustigend wirkte, wurde schon bald zum Symbol für etwas Größeres: den Beginn einer einzigartigen deutsch-amerikanischen Verbindung.

Denn nur wenige Wochen nach dieser Umfrage fand der erste offizielle Besuch von High-School-Schülerinnen und Schüler aus Buffalo in Dortmund statt. Ein Sprachtest im Henßlerhaus, Deutschunterricht am Vormittag, gemeinsame Ausflüge – und ganz viel Neugier aufeinander. Es war der Anfang eines Programms, das heute als Vorreiter für internationalen Jugendaustausch gilt.

Buffalo Bill" – die häufigste Antwort auf die Frage, was Dortmunder über Buffalo wussten. Szene der Straßenumfrage im Sommer 1975.
Sprachtest im Henßlerhaus: 54 Schülerinnen aus Buffalo starten ihren Austausch mit einem Crashkurs in Deutsch.
Die „Buffalo Courier Express“ berichtet 1974 über das Städtepartnerschaftsprojekt – Herbert Morgenroth im Zentrum der Initiative.

Der Lehrer mit Vision - Herbert Morgenroth als Brückenbauer

Im Zentrum dieser Entwicklung stand ein Mann: Herbert Morgenroth. Als Lehrer an der Karl-Düsberg-Gesellschaft war er Anfang der 1970er Jahre für ein Austauschprogramm in Buffalo tätig. Was er dort erlebte, inspirierte ihn dazu, mehr zu wollen als bloß einen Austausch: Er wollte eine dauerhafte Verbindung schaffen.

1974 überzeugte er in Buffalo nicht nur amerikanische Kolleg*innen, sondern auch Bürgermeister Stanley M. Makowski. Die Idee einer “Sister City”-Partnerschaft mit Dortmund war geboren. Die Lokalpresse in Buffalo widmete dem Thema eine ganze Seite, auf der Morgenroth als Pionier gefeiert wurde. Im Mai 1974 titelte die Buffalo Courier Express: “Sister-City Move Led by W. German”.

Zurück in Deutschland gewann Morgenroth schnell Mitstreiter in der Auslandsgesellschaft Dortmund. Mit viel Engagement, Beharrlichkeit und einem tiefen Vertrauen in die Kraft der Bildung entstand das, was heute als eine der langlebigsten deutsch-amerikanischen Partnerschaften gilt.

Austausch mit Prinzip - Das Konzept der Auslandsgesellschaft

Die Auslandsgesellschaft Dortmund – damals noch unter dem Namen “Rheinisch-Westfälische Auslandsgesellschaft” – entwickelte ein detailliertes Austauschprogramm für Jugendliche im Alter von 16 bis 20 Jahren. Grundlage war das sogenannte “Gegenseitigkeitsprinzip”: Wer nach Amerika reiste, musste bereit sein, auch selbst einen jungen Gast aufzunehmen.

Ziel war es nicht nur, Sprachkenntnisse zu verbessern, sondern vor allem interkulturelle Kompetenzen, Selbstständigkeit und Offenheit zu fördern. Die Teilnehmer*innen sollten sich voll in das amerikanische Familien- und Schulsystem integrieren – und umgekehrt. Voraussetzung: Reife, Motivation und grundsätzliche Sprachkenntnisse.

Ein strukturierter Vorbereitungs- und Nachbereitungsprozess sorgte dafür, dass nicht nur die Jugendlichen, sondern auch deren Eltern und die Gastfamilien optimal eingebunden wurden. So entstand ein tragfähiges Netzwerk, das den Austausch nicht nur ermöglichte, sondern auch nachhaltig verankerte.

Auszug aus dem Originalkonzept der Auslandsgesellschaft Dortmund – Grundlage des deutsch-amerikanischen Austauschprogramms ab 1975.
Auszug aus dem Originalkonzept der Auslandsgesellschaft Dortmund – Grundlage des deutsch-amerikanischen Austauschprogramms ab 1975.
Auszug aus dem Originalkonzept der Auslandsgesellschaft Dortmund – Grundlage des deutsch-amerikanischen Austauschprogramms ab 1975.
Auszug aus dem Originalkonzept der Auslandsgesellschaft Dortmund – Grundlage des deutsch-amerikanischen Austauschprogramms ab 1975.

1974–1985: Wie eine Idee Wurzeln schlägt

Die erste Schülergruppe aus Buffalo besuchte Dortmund im Sommer 1975. 54 Jugendliche wohnten in Gastfamilien, nahmen am Unterricht teil und erlebten ein intensives Kulturprogramm. Darunter: Stadtführungen, Tagesausflüge nach Münster oder Köln, ein Abschiedsseminar in Berlin.

Nur wenige Wochen später reisten 35 Dortmunder Jugendliche nach Buffalo. Sie besuchten dort amerikanische High Schools, lebten bei Gastfamilien und unternahmen eine Abschlussfahrt nach Toronto. Dokumente aus dieser Zeit belegen nicht nur die organisatorische Professionalität, sondern auch die Herzlichkeit des Empfangs auf beiden Seiten.

Zeitungsberichte aus der WAZ, der Westfälischen Rundschau und der Buffalo Courier Express zeugen vom Interesse der Öffentlichkeit und der politischen Rückenstärkung. Die Auslandsgesellschaft entwickelte das Programm kontinuierlich weiter. Bereits 1985 waren die Abläufe so eingespielt, dass feste Honorare, Betreuungsrichtlinien und Seminare zum Standard wurden.

Was ist geblieben und was hat sich verändert

Heute, 50 Jahre später, ist der Schüleraustausch zwischen Buffalo und Dortmund eine feste Institution. Die Prinzipien sind dieselben geblieben: Begegnung, Vertrauen, Integration. Doch einiges hat sich weiterentwickelt:

Digitalisierung: Die Bewerbungen laufen heute online. Vorbereitungskurse beinhalten Medienkompetenz und Online-Kommunikation.

Vielfalt: Die Programme sind offener geworden für verschiedene Schulformen, auch inklusive Konzepte werden integriert.

Globale Einbettung: Der Austausch ist Teil einer größeren internationalen Bildungsstrategie der Auslandsgesellschaft.

Alumni-Netzwerke: Viele ehemalige Teilnehmerinnen bleiben engagiert – als Gasteltern, Referentinnen oder Projektleiterinnen und Leiter.

Erste Schülergruppe testet Dortmund" – die Westfälische Rundschau dokumentiert den Auftakt der Städtefreundschaft im August 1975.

Stimmen aus der Vergangenheit - Ein Teilnehmer erinnert sich

Wir haben mit Stefan M., heute 58 Jahre alt, gesprochen. Er war 1983 Teilnehmer des Programms und erinnert sich lebhaft:

“Ich kam aus einem kleinen Vorort von Dortmund und landete plötzlich in einer amerikanischen Großfamilie in Buffalo. Ich war aufgeregt, hatte Angst vor dem Schulbesuch – aber ich wurde so herzlich aufgenommen. Ich erinnere mich an meinen ersten ‘pep rally’ in der Schule, an Thanksgiving Dinner und an die Radtour durch die Niagara-Schlucht. Heute weiß ich: Das hat meinen Blick auf die Welt nachhaltig verändert.”

Stefan ist heute Lehrer – und hat selbst schon Austauschschüler*innen aus Buffalo aufgenommen.

Fazit: Austausch als Fundament für Zukunft

Die Geschichte des Schüleraustauschs zwischen Buffalo und Dortmund ist mehr als eine Anekdote über “Buffalo Bill”. Sie ist ein Beispiel dafür, wie aus Neugier Verständnis wird, wie aus einem Experiment eine Institution entsteht und wie junge Menschen zu Brückenbauern einer globalen Gesellschaft werden.

Die Auslandsgesellschaft Dortmund hat früh erkannt, dass interkulturelle Bildung der Schlüssel zur Völkerverständigung ist. Wer heute an einem Austausch teilnimmt, folgt einer Tradition, die auf Weitblick, Menschlichkeit und Bildung basiert.

Und vielleicht, wenn heute wieder jemand auf dem Alten Markt gefragt wird: “Was wissen Sie über Buffalo?”, lautet die Antwort nicht mehr nur “Buffalo Bill” – sondern: “Das ist unsere Partnerstadt in den USA.”

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